Bildungsministerin Britta Ernst hat sich am Montag im Zentrum für Gewerbeförderung der Handwerkskammer Potsdam in Götz über ein Projekt zur beruflichen Orientierung für junge Flüchtlinge informiert. Während zehntägiger „Werkstatttage“ haben Schülerinnen und Schüler des Oberstufenzentrums Havelland die Möglichkeit, praktische Arbeit zu leisten und sich über verschiedene Handwerksberufe, über die Arbeitsmarktsituation und über Karrierechancen im Handwerk zu informieren.
„Werkstatttage“ sind sinnvolle Ergänzung zum Unterricht
Die „Werkstatttage“ werden im Rahmen der Bund-Länder-Vereinbarung „Bildungsketten“ seit dem Schuljahr 2016/17 für Schülerinnen und Schüler angeboten. Träger des Projekts sind die Handwerkskammern, die bei der Umsetzung im Land Brandenburg eng mit dem Ministerium für Bildung, Jugend und Sport und den Schulämtern zusammenarbeiten.
Ministerin Britta Ernst: „Es ist enorm wichtig, dass wir gerade jungen Flüchtlingen den Weg in die Berufswelt ebnen. Nur so schaffen sie die Integration in unsere Gesellschaft. Das Projekt ist eine sinnvolle Ergänzung zum Unterricht in der Schule und eine gute Vorbereitung auf eine Berufsausbildung. Die Schülerinnen und Schüler können hier ihre praktischen Fähigkeiten und Fertigkeiten ausprobieren und unter Beweis stellen. Nicht zuletzt haben sie die Möglichkeit, ihre in der Schule erworbenen Sprachkenntnisse anzuwenden.“
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Robert Wüst, Präsident der Handwerkskammer Potsdam: „Das Handwerk freut sich über den Besuch der neuen Bildungsministerin. Wir sehen dies als Wertschätzung der brandenburgischen Landesregierung gegenüber der beruflichen Bildung und als Anerkennung der zahlreichen Bemühungen des Handwerks bei der Integration junger Flüchtlinge. Bei dieser Integrationsaufgabe stehen wir vor besonderen Herausforderungen. Das Handwerk stellt sich dieser Aufgabe mit großem Engagement. Unsere Betriebe stehen bereit, motivierte Flüchtlinge zu qualifizieren und auszubilden. Damit leistet das Handwerk einen wichtigen Beitrag zur Integration. Die Berufsorientierung im Bildungsgang BFS-G Plus ist ein wichtiger Baustein für den Erfolg. Mit dem Projekt können wir den jungen Flüchtlingen zeigen, welche Vielfalt unsere mehr als 130 Ausbildungsberufe bieten und ihre Stärken ausloten. Diese Möglichkeiten hatte keiner von ihnen in seinem Heimatland. Natürlich hoffen wir, möglichst viele der jungen Flüchtlinge für eine Ausbildung im Handwerk zu gewinnen. Unsere Betriebe und Ausbilder empfangen sie mit offenen Armen!“
Heranführung an die duale Ausbildung kommt große Bedeutung zu
Die Schülerinnen und Schüler absolvieren derzeit einen zweijährigen Bildungsgang der „Berufsfachschule zum Erwerb beruflicher Grundbildung und von gleichgestellten Abschlüssen der Sekundarstufe I (BFS-G-Plus)“. Der Bildungsgang richtet sich an berufsschulpflichtige Jugendliche, die aufgrund fehlender Zugangsvoraussetzungen nicht die Berufsschule besuchen können und über keine ausreichenden Deutschkenntnisse verfügen. Ziel des Bildungsgangs ist die Vermittlung der deutschen Sprache (Bildungs- und Fachsprache) und beruflicher Grundbildung. Der Unterricht findet in den Fächern des berufsübergreifenden (Deutsch, Mathematik, Wirtschaft- und Sozialkunde, Sport) und des berufsbezogenen Bereichs (berufliche Orientierung) statt.
Die meisten Schülerinnen und Schüler im Bildungsgang BFS-G-Plus sind Geflüchtete, vor allem unbegleitete minderjährige Ausländer. Neben der Sprache ist auch das Bildungssystem für die Zielgruppe neu. Daher kommt gerade der Berufsorientierung, der Heranführung an die duale Ausbildung und den deutschen Arbeitsmarkt eine besonders große Bedeutung zu.
Am Ende des Projekts erhalten die Teilnehmenden ein Zertifikat und eine individuelle Einschätzung über ihre sozialen und berufsspezifischen Kompetenzen von geschultem Personal der Handwerkskammern.
Weitere Informationen
Webseite des Bildungsministeriums
Hintergrund zum Projekt „Werkstatttage“
Die Werkstatttage im Gewerbezentrum Götz wurden 2016 als Pilotprojekt mit zunächst 60 Plätzen gestartet. Seit April 2017 gibt es sie als flächendeckendes Angebot für junge Flüchtlinge, die vor allem aus Syrien und Afghanistan, aber auch aus afrikanischen Ländern kommen. Die Teilnehmer, die an den Oberstufenzentren des Einzugsbereichs der Potsdamer Handwerkskammer eine zweijährige berufliche Grundbildung erhalten, können sich in verschiedenen Handwerksberufen ausprobieren. Zur Auswahl stehen unter anderem Kfz-Technik, Metall- und Holzbearbeitung, Maler, Friseur, Heizung oder Sanitär.
Sie erhalten damit die Möglichkeit in der Praxis herauszufinden, wo ihre Interessen für eine spätere Ausbildung liegen. Während des zweiwöchigen „Schnupperkurses“ lernen die zumeist jungen Männer jeweils vier unterschiedliche Gewerke kennen. So stellt in der Holz- und Metallbearbeitung jeder nach Zeichnung einen Alltagsgegenstand her, zum Beispiel Spielzeug. Das Ergebnis ihrer Arbeit dürfen die Teilnehmer am Ende mitnehmen.
Bis zum Jahresende werden rund 560 vorrangig minderjährige Flüchtlinge diese Werkstatttage absolviert haben. Nach Angaben der Kammer ist der größte Teil hochmotiviert. Bei einer Umfrage gaben 80 bis 90 Prozent an, mit dem Angebot sehr zufrieden zu sein. 40 bis 50 Prozent können sich demnach eine berufliche Perspektive im Handwerk vorstellen. Derzeit absolvieren in Brandenburg 62 Flüchtlinge eine Lehre. Weitere 20 haben einen Vertrag über eine Einstiegsqualifizierung unterschrieben.