Glaubens-Dialog für eine bessere Integration
Glaube akzeptieren, wo Religion keine Heimat hat: Das ist eine der Herausforderungen, die Brandenburg bei der Integration von 35.000 Flüchtlingen sieht. Auf dem Dialogforum «Religionen und Weltanschauungen als Integrationsfaktor» am Mittwoch in Potsdam suchten Vertreter von christlichen, muslimischen, jüdischen und humanistischen Organisationen gemeinsame Linien, um den muslimischen Neubürgern eine Perspektive in Brandenburg zu eröffnen.
Mehr Selbstverständlichkeit im Umgang mit Glaubensfragen
Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) betonte, die Auseinandersetzung mit der eigenen Weltanschauung und Religion sei ein Weg zum besseren Verständnis für gläubige Flüchtlinge. Wer sich mit Religion auseinandersetze, gewinne mehr Selbstverständlichkeit im Umgang mit Glaubensfragen und könne auf Andersgläubige zugehen. Fast 80 Prozent der Brandenburger sind laut Woidke konfessionslos.
Die Angst insbesondere vor Muslimen sei in den vergangenen Jahren gewachsen, vor allem aus Unkenntnis. Oft werde der Islam mit Terrorismus gleichgesetzt. Es gehe aber bei den Flüchtlingen um die Menschen als Ebenbild Gottes. Wenn diese Sicht gelinge, gelinge auch der nächste Schritt hin zu mehr Integration, sagte Woidke.
Interreligiöse Bildung bringt Integration voran
Der Bischoff der Evangelischen Landeskirche, Markus Dröge, sieht in der interreligiösen Bildung etwa in Schulen eine große Chance, die Integration voranzubringen. In Brandenburg stießen muslimische Flüchtlinge auf eine Bevölkerung mit dem geringsten religiösen Selbstverständnis. Viele hätten weder religiöse Bildung noch jemals einen Kontakt zur Kirchen erlebt. Generell sieht er eine wachsende «Bedeutung und Dringlichkeit» für den christlich-muslimische Dialog. Die Angst vor dem Islam werde fast jeden Tag durch neue Anschläge genährt. Deshalb sei es wichtig, Stabilität und Normalität im Austausch mit dem Islam hervorzuheben.
Dröge rief zugleich die islamischen Gemeinden zu mehr gesellschaftlichem Engagement auf. Die Trennung von Staat und Kirche sei in der Verfassung verankert, aber die Kirchen engagierten sich bei Kultur, Bildung und Soziales. Das könnte bei muslimischen Gemeinden «noch stärker zur Geltung kommen», sagte Dröge. «Unsere Kirchen helfen dabei».
Religion kann sich nicht integrieren
Dass Menschen sich integrieren könnten, die Religion aber nicht, hob Musa Jakout vom Verein der Muslime in Potsdam hervor. «Man kann nicht ein halbes Kopftuch tragen, oder ein halber Moslem sein», sagte er. Deshalb müsse im Dialog auch hinterfragt werden, welche Vorstellungen die Gesellschaft von Integration habe. Zugleich warb er für eine Moschee in Potsdam. Für Muslime sei es sehr wichtig, einen festen Gebetsraum zu haben, für die Landeshauptstadt wäre es zudem eine Bereicherung.
Der Erzbischof des Erzbistums Berlin, Heiner Koch, unterstrich, der Prozess der Integration setze Einsicht auf beiden Seiten voraus. «Wir müssen uns miteinander integrieren», sagte er. Die Gesellschaft sei «eine Lerngemeinschaft». Das sei mitunter anstrengend. «Aber wir können von anderen Menschen viel lernen.» Zugleich warb er für einen theologischen Diskurs zwischen den Religionen. In der vernetzten Welt müsse der theologische Disput den praktischen interreligiösen Austausch begleiten.
Absolutheitsanspruch der Religionen ist eine Herausforderung
Den Absolutheitsanspruch der Religionen wertete der Vorsitzende der Synagogengemeinde in Potsdam, Ud Joffe, als Herausforderung im interreligiösen Dialog. Darauf müssten sich alle Glaubensgemeinschaften einstellen.
Dagegen appellierte Thomas Heinrich vom Humanistischen Verband Berlin-Brandenburg an die Religionsvertreter, ihren jeweiligen Wahrheitsanspruch «ein Stück zurückzunehmen». Damit Integration funktioniert, müssten die Konfessionen akzeptieren, dass andere Religionen auch einen Wahrheitsanspruch formulierten.
Hintergrund zum Glaubens-Dialog
Rund 100 Vertreter aus Gesellschaft und Politik berieten auf dem 5. Dialogforum des «Bündnisses für Brandenburg» über Chancen und Risiken des interreligiösen Dialogs für die Integration der Flüchtlinge in Brandenburg.
Das «Bündnis für Brandenburg» gründete sich im November 2015 auf Initiative von Woidke mit dem Ziel, Akteure der Flüchtlingsbetreuung und Integration mit Vertretern der Gesellschaft zusammenzubringen.
Das nächste Dialogforum findet am 20. November 2017 zum Jahrestag der Gründung statt und will die bisherige Arbeit des Bündnisses vorstellen.
Quelle: epd.de
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