„Worauf es ankommt“ – Interview mit Katja Ebstein
Katja Ebstein ist seit rund 50 Jahren erfolgreich als Sängerin und Schauspielerin im Show-Geschäft tätig. Für ihr langjähriges, vielfältiges künstlerisches und soziales Engagement abseits des Rampenlichts wurde sie vielfach ausgezeichnet – unter anderem mit dem Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland oder mit dem Verdienstorden des Landes Brandenburg. Das „Bündnis für Brandenburg“ traf seine bekannte Erstunterzeichnerin zum Interview.
Bündnis für Brandenburg (BfB): Frau Ebstein, vor gut einem Jahr hat die Bundeskanzlerin über die Herausforderungen durch die immer weiter steigende Zahl der Flüchtlinge gesprochen und zusammengefasst: „Wir schaffen das“. Wie beurteilen Sie die Reaktionen darauf?
Katja Ebstein: Obgleich sich schon Jahre das sog. Flüchtlingsdrama im Mittelmeer abspielte, waren wir alle zwar betroffen aber nicht direkt zum Handeln berührt. Der starke Andrang im letzten Sommer hat aber krass gezeigt, dass es sich nicht mehr vor unserer Haustür abspielt sondern die Menschen in unser Haus gekommen sind. Die spontane freundliche und warmherzige Aufnahme war für mich ein ermutigendes Zeichen, dass auch in der Breite unserer Bevölkerung Helfen selbstverständlich geworden war. Die jetzt lautstark aufgekommenen Ängste sehe ich nicht ausschließlich im Zusammenhang damit. Sie sind vielmehr ein aus vielen anderen Gründen empfundenes Unwohlsein und haben verborgenen Frust wachgerufen, der sich nun an „den Flüchtlingen“ festmacht, die zu den Allerschwächsten der Gesellschaft gehören.
Engagement aufgrund persönlicher Erfahrungen
BfB: Warum engagieren Sie sich neben ihren vielen anderen Verpflichtungen für das „Bündnis für Brandenburg“?
Katja Ebstein: Ganz einfach: Weil es um Menschen geht. Und aus der ganz persönlichen Erfahrung als Flüchtlingskind. Ich bin hineingeboren in die Nachkriegszeit, meine Eltern mussten aus Schlesien fliehen und wir landeten in Thüringen. Mein Vater war noch in Gefangenschaft. So habe ich als kleines Kind in Begleitung meiner Mutter und meiner älteren Schwester -zunächst unbewusst – dann beim Heranwachsen immer bewusster wahrgenommen, was es heißt „Flüchtling zu sein“, in eine Umgebung zu kommen, die nicht die gewohnte, die nicht die Heimat ist. Trotz der gemeinsamen Sprache, der gemeinsamen Kriegserfahrungen und der erlittenen Nazizeit kamen wir in der Fremde an: wir wurden nicht mit offenen Armen aufgenommen.
BfB: Wie haben Sie es damals geschafft, anzukommen?
Katja Ebstein: Es war letztendlich die Nähe zu den Menschen, auf die wir alle angewiesen waren. Wir mussten miteinander lernen, miteinander auszukommen.
Bei aller Unterschiedlichkeit zur heutigen Situation zeigt mir diese Erfahrung: Im Kern kommt es immer auf den Einzelnen an, zu begreifen und zu verstehen, dass keiner auf dieser Welt alleine ist, jeder über seinen Tellerrand hinaus schauen muss. Denn: Nur eine solidarische Gesellschaft kann überleben.
Engagement soll zum Mitmachen anstecken
BfB: Heute schaffen „Politik“ und „Verwaltung“ Rahmenbedingungen für die Integration der vielen aus ihrer Heimat Geflüchteten. Doch ohne das ehrenamtliche Engagement würde es vor Ort nicht klappen. Was sagen Sie den vielen ehrenamtlichen Initiativen?
Katja Ebstein: Ich sehe das weniger als Ehre an, sondern so, dass der Einsatz für das Gemeinwohl, der Einsatz für die am Rande oder außerhalb der Gesellschaft Stehenden eine selbstverständliche Bürgerpflicht ist. Alles, was der Bürger selbst in die Hand nehmen kann, ist auch ein Zeichen seiner eigenen Freiheit und das ist zugleich der hohe soziale Wert Ihres ehrenamtlichen Engagements. Der Staat oder „die Politik“ hat dafür den Rahmen abzusichern, damit das Engagement funktioniert. Und wir – die ehrenamtlich tätigen Bürger – haben auch dafür zu sorgen, dass unser Engagement ansteckt zum Mitmachen. Deshalb auch muss dieses Engagement immer wieder als Vorbild anerkannt und auch ausgezeichnet werden.
BfB: Welche Erfahrungen können Sie den Initiativen im Land Brandenburg mit auf den Weg geben?
Katja Ebstein: Um meinen Beitrag zu einer solidarischen Gesellschaft einzubringen, habe ich u.a. gelernt, dass man sich organisieren muss, in meinem Fall durch einen Verein und eine Stiftung, beide sind auf Vernetzung angelegt und haben in der Satzung verankert, dass vor einer Aktivität immer zuerst danach gesucht wird, was oder wen gibt es da schon mit dem wir gemeinsam das Ziel erreichen können? Um es ganz konkret zu machen: wir arbeiten seit 25 Jahren mit den Möglichkeiten der Erlebnispädagogik nach unserem Motto: Deine Stärken – Deine Chancen“ Die zu uns kommenden Kinder und Jugendlichen bekommen – häufig erstmals – vermittelt, dass man Ihnen in unseren Aufgabenstellungen etwas zutraut und wir Ihnen nicht klarmachen, was Ihnen alles noch fehlt.
BfB: Gibt es dafür ein Beispiel?
Katja Ebstein: Unsere beiden Integrationscamps mit jungen Flüchtlingen in diesem Sommer – gefördert vom Bündnis für Brandenburg – bauten auf unseren Erfahrungen auf, die wir in unseren Feriencamps bislang für soziale schwierige oder gefährdete Kinder und Jugendliche machten, egal ob aus Berlin, Brandenburg oder aus Polen. Wir waren aber anfangs unsicher, ob und wie es gelingen wird, in Deutschland aufgewachsene Kinder und Jugendliche mit jenen Neuangekommenen für eine Woche zum gemeinsamen Tun und Leben zusammenzubringen, und vor allem sich sprachlich anzunähern und Freude daran zu entwickeln, die Sprache des anderen kennen zu lernen. Viele unserer sonst bewährten Methoden, z.B. eine Nachtwanderung, im Freien zu biwakieren, mit dem Boot unterwegs zu sein, haben wir angesichts der Erlebnisse und Traumata der Kinder und Jugendlichen nicht eingesetzt. Unsere Sorge um die sprachliche Kommunikation war viel zu groß: die Herausforderungen der zu lösenden Aufgaben, die Anforderungen daran, dass keiner alleine etwas schafft, führten beinahe automatisch zur Kommunikation. Der Auswertungsbericht ist zwar noch nicht ganz fertig, aber schon jetzt kann ich sagen, dass es den Kindern und Jugendlichen gefallen hat. Auch wenn es „zu viel Salat“ gab, es „viel zu schnell vorbei“ war und der „Abschied schwer fiel“.
Integration gelingt durch Teilhabe und Stärkung der Persönlichkeit
BfB: Ihr Fazit?
Katja Ebstein: Der schulische und häusliche Alltag bedarf in der Freizeit und in den Ferien einer pädagogisch gestalteten Begleitung, denn keiner darf alleingelassen werden. Wer alleingelassen ist, ist schon fast herausgefallen. Integration kann nur gelingen durch Teilhabe und Stärkung der Persönlichkeit; nur so entsteht das persönliche Bewusstsein, Teil einer Gemeinschaft werden zu können. Deshalb führen wir diese Integrationscamps nur in Zusammenarbeit mit Organisationen oder Einrichtungen, Schulen oder Heimen durch, um eine pädagogische Vorarbeit zu ergänzen und eine Nacharbeit sicher zu stellen.
BfB: Abschließend ein Wort an die politisch Verantwortlichen?
Katja Ebstein: Ganz persönlich: Engagement macht Freude. Das wissen alle, die sich wo auch immer ehrenamtlich einsetzen, wenn auch viele Alltagsprobleme zu lösen sind und auch Ärger und Verdruss bereiten. Z.B. dass Engagement häufig an Grenzen des Machbaren stößt, wenn es ums Geld geht, wenn Förderrichtlinien der Lebenswirklichkeit nicht immer entsprechen oder die Sprache der Verwaltung eine andere ist als die des eigenen erlebten Alltags. Ehrenamtler sind eben keine Verwaltungsexperten.
BfB: Vielen Dank für das Gespräch und weiterhin viele gute Erlebnisse.
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