Eröffnungsrede von Sozialministerin Golze anlässlich des Dialogforums "2 Jahre Bündnis für Brandenburg" (Foto: dpa/Ralf Hirschberger)

Eröffnungsrede von Sozialministerin Golze

Eröffnungsrede von Sozialministerin Diana Golze auf dem Dialogforum „Willkommen in Brandenburg – 2 Jahre Bündnis für Brandenburg“ am 20. November 2017 in der Fachhochschule Potsdam.

Eröffnungsrede im Wortlaut

Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrte Anwesende, liebe Gäste,

„Willkommen in Brandenburg – 2 Jahre Bündnis für Brandenburg“ – so lautet der Titel unserer heutigen Veranstaltung, zu der ich Sie herzlich willkommen heiße.

„Willkommen in Brandenburg“ ist nicht nur eine Begrüßungsformel,  es ist vielmehr die Leitlinie für unser Handeln hier im Land Brandenburg.

„…weil es um Menschen geht“ ist das Motto des „Bündnis für Brandenburg“. Insbesondere in den vergangenen beiden Jahren wurde diese Maxime in beeindruckender Weise mit Leben gefüllt.

Ich erinnere mich noch gut an die zum Teil dramatischen Ereignisse aus den Jahren 2015 und 2016. Hunderttausende Menschen kamen auf der Flucht vor politischer Verfolgung, Krieg und Hoffnungslosigkeit nach Deutschland, mehrere Zehntausend zu uns nach Brandenburg. Wir alle – die Verwaltungen und die Zivilgesellschaft – darunter viele ehrenamtlich engagierte Menschen – können wirklich stolz darauf sein, wie wir in Brandenburg die Herausforderung der Unterbringung, der Verpflegung und des ersten „Willkommens“ gemeistert haben. So wie wir Brandenburger nunmal sind: Ohne große Worte, ganz selbstverständlich zupackend und solidarisch. Viele von uns haben in ihrem Leben eigene Erfahrungen mit Umbrüchen und Neuanfängen gemacht und können sich deshalb gut in die Menschen und ihre Situation hineinversetzen.

Offen über Erfolge und Schwierigkeiten der Integration sprechen

Diese Zeit der ersten großen Herausforderung liegt nun schon eine Weile zurück, jetzt ist die Zeit der Integration gekommen. Und auch sie kann nur gemeinsam gelingen. Es geht um Teilhabe an unserer Gesellschaft. Nicht nur um Teilhabe in den Systemen wie Bildung und Arbeit, sondern auch um Teilhabe an der Alltagsgesellschaft. Auch hierfür steht das „Bündnis für Brandenburg“.

Integration in die Alltagsgesellschaft – das ist nicht immer einfach. Auf beiden Seiten – der Aufnahmegesellschaft und der Geflüchteten – gibt es offene und verschlossene Menschen Die Begegnung mit neuen, zunächst fremden Menschen ist spannend und bereichernd, aber auch mit Skepsis oder Ängsten verbunden. Dieser Zwiespalt ist menschlich. Mir liegt viel daran, dass wir offen über die Erfolge, aber auch über die Schwierigkeiten der Integration sprechen.

Eine klare, deutliche Grenze setzen wir in Brandenburg aber dort, wo Hass, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit oder sogar Gewalt zu Tage treten. Unser Land steht für Respekt, Wertschätzung und Vielfalt in der Gesellschaft.

Aufgabe des Bündnisses für Brandenburg ist es, Aktivitäten der Zivilgesellschaft zu unterstützen und zu bündeln, die diese Grundwerte – Respekt, Wertschätzung, Vielfalt in der Gesellschaft – praktisch erlebbar machen. Das geschieht in Kommunen ebenso wie in  Vereinen,  Belegschaften der Betriebe sowie Nachbarschaften.

Bilanz ziehen und vorausblicken

Ich habe es damals als richtig empfunden, dass Ministerpräsident Dietmar Woidke und Vize-MP Christian Görke – auch mit dem Bündnis für Brandenburg – deutlich gemacht haben, dass die Aufgabe der Aufnahme geflüchteter Menschen weit über die Zuständigkeiten und die Ressourcen eines einzelnen Ministeriums hinausgeht. Diese wichtige Aufgabe war und ist nur durch die gesamte Regierung und das ganze Land zu bewältigen.

Heute wollen wir Bilanz ziehen und vorausblicken: Was hat das Land in den vergangenen zwei Jahren in der Integration von Geflüchteten geleistet und erreicht? Wo waren wir erfolgreich und was können wir noch besser machen? Wie können wir Sie als zivilgesellschaftliche Akteurinnen und Akteure weiterhin unterstützen?

Dies sind einige der Fragen, über die wir heute miteinander ins Gespräch kommen wollen und über die wir – sicher auch kritisch – diskutieren werden.  Anhand positiver Beispiele werden ganz sicher auch Anregungen für zukünftige Vorhaben gegeben. Sie haben heute die Möglichkeit, Ihre Fragen und Anregungen an insgesamt acht Thementischen zu diskutieren. Seien Sie bitte nicht zurückhaltend mit Ihrer Meinung, teilen Sie uns Ihre Erfahrungen mit.

In den vergangenen zwei Jahren wurden bereits 5 Dialogforen zu den Themen Ehrenamt, Bildung und Wissenschaft, Wirtschaft und Arbeit sowie zu Religionen und Weltanschauungen ausgerichtet. Sie sind auf große Resonanz gestoßen. Denn diese Dialogforen sind eine gute Plattform für den Austausch zwischen Politik und Zivilgesellschaft. Das wünsche ich mir auch für die heutige Veranstaltung.

Ergebnisse aus den vergangenen zwei Jahren

Jetzt möchte ich beispielhaft auf Ergebnisse eingehen, die das Land Brandenburg und die wir gemeinsam in den vergangenen zwei Jahren erreicht haben.

  • Im Auftrag der Landesregierung fördert das „Bündnis für Brandenburg“ Projekte und Maßnahmen, die die Offenheit, Akzeptanz und Hilfsbereitschaft der brandenburgischen Bevölkerung erhalten, gesellschaftliche Akteure in ihrem Engagement unterstützen, den solidarischen Zusammenhalt stärken sowie einen Beitrag dazu leisten, die Integration geflüchteter Menschen zu unterstützen und deren gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen.
    Hervorheben möchte ich die Regionalbudgets von bis zu 20.000 €, die die Landkreise und kreisfreien Städte (auf Antrag) aus Mitteln des Bündnisses erhalten. Mit diesem Geld können sowohl eigene flüchtlingsbezogene Projekte als auch die von kreisfreien Ämtern und Gemeinden oder auch von freien Trägern unterstützt werden. Das Regionalbudget schafft größtmögliche Flexibilität bei der Förderung vielfältiger Projekte und Maßnahmen.
  • Der größte Teil der bei uns Schutzsuchenden ist im erwerbsfähigen Alter, also zwischen 18 und 65 Jahre. Sie wollen Arbeiten, eigenes Geld verdienen. Arbeit ist der Schlüssel zur Integration und Brandenburg braucht gute Fachkräfte. Somit ist Zuwanderung eine Chance, einen Teil des wachsenden Fachkräftebedarfs decken zu können. Um die Hürden auf dem Weg zu einer erfolgreichen Arbeitsmarktintegration zu überwinden, hat das Land verschiedene Programme initiiert und fördert zahlreiche Maßnahmen und Projekte. Wichtig ist jedoch, dass diejenigen Geflüchteten, die sich auf den Weg gemacht haben in Arbeit, Ausbildung und Studium, auch Abschlüsse erwerben bzw. anerkennen lassen können.
  • Sprache ist dafür die Grundvoraussetzung. Wir halten es für falsch, dass die Kurse des BAMF nur für Geflüchtete mit sogenannter „guter Bleibeperspektive“ offenstehen. Diejenigen, die im Ergebnis doch bei uns bleiben, verpassen nicht nur Monate sondern sogar Jahre der Integration.
    Deshalb haben wir bereits im April 2014 das Landesprogramm „Deutsch für Flüchtlinge“ aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds (ESF) aufgelegt. An diesen Kursen können Geflüchtete teilnehmen, die keinen Zugang zum Integrationskurs haben bzw. auch unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus.
    Das Programm wurde mittlerweile um 4 Mio. Euro aufgestockt und bis zum 31.12.2019 verlängert. Unsere Erfahrungen zeigen uns jedoch, dass der Spracherwerb in Deutschland viel zu kompliziert organisiert ist. Hier besteht großer Reformbedarf.
  • Im Rahmen des Bundesprogramms „Integration durch Qualifizierung“ (IQ) bietet das IQ Netzwerk Brandenburg an 9 Standorten die Anerkennungs- und Qualifizierungsberatung für Personen an, die ihre Abschlüsse im Ausland erworben haben. Das IQ Netzwerk Brandenburg bietet außerdem umfassende Verfahren zur Kompetenzfeststellung an, welche speziell für Personen mit Migrationshintergrund entwickelt wurden.
  • Die Integration erfolgt vor Ort in den Kommunen, dort also, wo die Geflüchteten nach ihrem Aufenthalt in der Erstaufnahmeeinrichtung untergebracht sind. Mit der Richtlinie „Vielfalt als Chance“, Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten in Gebieten des Stadt-Umland-Wettbewerbs (ESF-SUW) erhalten die Kommunen die Möglichkeit, ein gezieltes, kooperatives Integrationsmanagement aufzubauen- zur Verbesserung der Transparenz und Bündelung der verschiedenen arbeitsmarktpolitischen Angebote. Auch eine individuelle Unterstützung von Flüchtlingen zur Verbesserung ihrer Beschäftigungsaussichten, insbesondere an den Übergängen verschiedener Maßnahmen, kann damit gestärkt werden.
  • Das Landesaufnahmegesetz wurde zum 1. April 2016 novelliert. Mit diesem Gesetz und den konkretisierten Bestimmungen der Durchführungsverordnung und der Erstattungsverordnung wurden die rechtlichen Rahmenbedingungen sowohl für die aufgenommenen Personen als auch für die Kommunen verbessert. Für den heutigen Zusammenhang ist vor allem wichtig, dass das Land Brandenburg die Voraussetzungen dafür geschaffen hat, eine migrationsspezifische soziale Beratung flächendeckend im Land bedarfsgerecht und kontinuierlich sicherzustellen.
  • 16 von 18 Landkreise und kreisfreie Städte haben die aus meiner Sicht sehr zweifelhafte Praxis abgeschafft, dass Geflüchtete einen „Kostenübernahmeschein“ für die Inanspruchnahme medizinischer Versorgung  brauchen und eine Mitarbeiterin bzw. ein Mitarbeiter einer Kommunalverwaltung beurteilen muss, ob ärztliche Behandlung notwendig ist oder nicht.
    Mit der Einführung der elektronischen Gesundheitskarte ist uns ein wesentlicher Schritt zur Verbesserung des Zugangs zur Gesundheitsversorgung für Asylbewerberinnen und Asylbewerber in Brandenburg gelungen. Gleichzeitig hat das Land mit der Novellierung des Landesaufnahmegesetzes dafür gesorgt, dass im Zusammenhang mit der gesundheitlichen Versorgung die Kommunen kein Kostenrisiko tragen müssen.
Novellierung des Landesintegrationskonzepts

Im Podiumsgespräch erfahren Sie nachher noch mehr – beispielsweise aus dem Bereich KITA- von Staatsssekretär Dr. Thomas Drescher aus dem Bildungsministerium. Und Frau Dr. Lemmermeier wird sicher u.a. über die unkomplizierte Unterstützung von Ehrenamtsprojekten und Willkommensinitiativen aus dem Budget der Integrationsbeauftragten berichten. Beteiligt daran haben sich übrigens alle Ressorts der Landesregierung. Ein weiteres Zeichen für unsere starke Gemeinschaft.

Was das Land bei der Aufnahme und Integration Geflüchteter erreicht hat und welche inhaltlichen Änderungen und Herausforderungen sich für die Integrationspolitik des Landes Brandenburg ergeben, können Sie bald auch Nachlesen. Denn vor knapp zwei Wochen ist vom Kabinett die Novellierung des Landesintegrationskonzeptes beschlossen worden. Gedruckte Exemplare stehen in Kürze zur Verfügung. Das Landesintegrationskonzept ist ausdrücklich  kein in sich abgeschlossenes Maßnahmenpaket sondern im Sinn „Integration als stetige Aufgabe“ angelegt. Die Landesregierung setzt damit Rahmenbedingungen, die von vielen Partnerinnen und Partnern der Integrationspolitik mit Engagement ausgefüllt werden müssen.

Viele von Ihnen, meine Damen und Herren, liebe Gäste, haben wertvolle Hinweise und Anregungen gegeben, die sich in der jetzt aktualisierten Fassung des Landesintegrationskonzeptes von 2014 wiederfinden. Deshalb an dieser Stelle herzlichen Dank all jenen, die so engagiert an der Fortentwicklung des Landesintegrationskonzeptes mitgewirkt haben!

Die Landesregierung plant einen Monitoringprozess zur Umsetzung des Landesintergrationskonzeptes. Wir müssen wissen, was klappt und was klappt nicht. Denn nicht jede Maßnahme ist für alle Geflüchteten  gleichermaßen geeignet. Erst nach und nach werden wir auf die unterschiedlichen Ressourcen und Bedarfe differenziert einzugehen lernen.

Zuwanderung bedeutet dauerhafte Veränderung

Heute soll es aber vor allem um das gehen, was die im Bündnis für Brandenburg zusammengeschlossenen zivilgesellschaftlichen Akteure zu berichten, zu bestätigen, aber vielleicht auch zu kritisieren und zu fordern haben. Seien Sie selbstbewusst! Es geht nicht ohne Sie, Ihre Aktivitäten sind das Herzstück der Integration.

Liebe Gäste, Zuwanderung bedeutet eine dauerhafte Veränderung  für Brandenburg. Es geht um Vielfalt. Integration heißt, dass  sich bisher Fremde auf die deutsche Kultur zu bewegen und diese Kultur damit zugleich bereichern und verändern.

Versuchen wir, uns in die Situation der Geflüchteten hineinzuversetzen: Wie wäre es für mich, wenn ich mit meiner Familie plötzlich fliehen müsste, nicht der Schrift noch der Sprache meines neuen Heimatlandes mächtig. Nicht vertraut mit den geschriebenen und ungeschriebenen Regeln, mit meiner Qualifikation, die dort nicht anerkannt wird.

Integration erfordert Anstrengung, Offenheit und „Verstehen wollen“, aber auch Veränderung – sowohl von jenen, die hinzukommen, aber auch von uns, die wir schon da sind. Für Deutschland brauchen wir ein modernes Einwanderungsrecht. Das ist meine Forderung an die neue Bundesregierung.

Für heute wünsche ich uns einen offenen und nach vorne weisenden Austausch.

Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

 

Weitere Informationen
Alles zum 6. Dialogforum des „Bündnis für Brandenburg“

0 Kommentare

Hinterlasse einen Kommentar

An der Diskussion beteiligen?
Hinterlasse uns deinen Kommentar!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert